Eine der besten Fernsehserien der Öffentlich-Rechtlichen seit vielen Jahren ist ohne Zweifel Charité. Es ist eine historisch sehr genau Serie über die Geschichte des weltberühmte Berliner Krankenhauses. Sie beginnt mit der 1. Staffel im Jahre 1887 und reicht in der 2. Staffel bis zur Stunde Null. Ein packendes Drama mit brillanten Figuren, kühnen Dialogen, toller Ausstattung und lehrreichen Darstellungen persönlicher Schicksale und historischer Ereignisse.
Ich jedenfalls liebe historische Stoffe. Und gerade die Geschichte der Medizin, die in Charité verhandelt wird, ist sehr interessant. Eine Wissenschaft, die sich langsam aus den finsteren Wirrnissen des Ungefähren löst und konkrete Erfolge bei der Bekämpfung verheerender Epidemien erlangt. Etwa beim Sieg über die Pest und die Entwicklung von Impfseren. In der Charité am Ende des 19. Jahrhunderts arbeiten denn auch nicht weniger als drei Medizin-Nobelpreisträger zusammen. „In der Medizin sprich man Deutsch“, wie es zum 10. Medizinischen Kongress zu Berlin heißt.
Robert Koch etwa, der Entdecker des Tuberkulose-Erregers, mit seinem berühmten Institut, arbeitet in der Charité. Emil Adolf Behring, der Immunologe und Entwickler eines lebensrettenden Diphtherieimpfstoffs ebenso, sowie sein Mitstreiter Paul Ehrlich, der später eine erste wirksame Behandlung der Syphilis entwickelte. Auch so geistreiche, engagierte Figuren wie Rudolf Virchow, der Begründer der modernen Pathologie, der allerdings keinen Nobelpreis erhielt, dafür als Stadtrat eine moderne Kanalisation und eine zentrale Trinkwasserversorgung für Berlin erwirkte. Alles segensreiche, lebenSrettende Entwicklungen. Um diese brillanten Wissenschaftler dreht sich die Serie.
Aber Charité kümmert sich auch um die damaligen Frauenschicksale. Für uns heute vollkommen unverständlich, durften Frauen im deutschen Kaiserreich keine Ärztinnen werden. Die Krankenschwester Ida Lenz, gespielt von der wundervollen Alicia von Rittberg, geht daher in die Schweiz um ihren Traum zu erfüllen und Medizin zu studieren. Die bittere und harte Oberin führt ein strenges Regiment gegenüber den Krankenschwestern und Hilfschwestern, und erklärt am Ende, weshalb sie so ist, wie sie ist. Viele harte Schicksale im 19. Jahrhundert, das geprägt war von Armut und Aufbruch.
Wie sehen, wie die Menschen an Tuberkulose sterben. Aber wir sehen sehr viele historische Figuren, die brillant dargestellt sind. Etwa Kaiser Wilhelm II und sein Vorgänger Friedrich, der an Kehlkopfkrebs im Dreikaiserjahr starb. Oder der englische Schriftsteller und Erfinder von Sherlock Holmes, Sir Arthur Conan Doyle, der versucht an Kochs Tuberkulin heranzukommen, weil seine Frau in England an Tuberkulose zu sterben droht. Wir erleben den Hamburger Zoologen Hagenbeck, der Inder im Zoo vorführte und uns heute damit stark irritiert. Darüber hinaus werden wir Zeuge der männerbündlerischen Burschenschaft der damaligen Zeit – grausig! – und der herben Arroganz der Männer gegenüber den Frauen. Wie sehen sehen erste Anzeichen der Rassenlehre vor dem 1. Weltkrieg und die Überheblichkeit des mächtigen weißen Mannes.
Die 1. Staffel Charité ist ein Muss
Berlin 1888: Zwischen Drei-Kaiser-Jahr, bahnbrechender medizinischer Forschung und großen gesellschaftlichen Umwälzungen entdeckt die rebellische Hilfswärterin Ida (Alicia von Rittberg) an der Berliner Charité ihre Leidenschaft für die Medizin.
Diese 1. Staffel wurde im März 2017 in der ARD zum ersten Mal ausgestrahlt und befindet sich immer noch in der ARD-Mediathek. Die 2. Staffel, die das 3. Reich zum Schwerpunkt hat, wird dieses Jahr im März erstmalig ausgestrahlt, ist ebenfalls in der Mediathek schon jederzeit zu sehen. DIE ZEIT kritisiert die historische Verzerrung der Serie und spricht von einer klischeehaften „Aufhübschung der Geschichte“ in der 2. Staffel. Es ist ja auch ein schwieriges Thema, diese deutsche Geschichte. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts schien alles noch nachvollziehbar und einfach. Es mündete zwar in der Ur-Katastrophe des 1. Weltkriegs, aber aus meiner Sicht erhellt die 1. Staffel Manches, das dafür verantwortlich war. Die Erziehung, die Arroganz, der Fortschritt und der Nationalismus. Insgesamt eine tolle Serie, die man nicht verpassen sollte.
Siehe auch:
- www.welt.de/sonderthemen/charite/article116513275/Legendaere-Klinik-in-Berlin.html
- www.hoerzu.de/unterhaltung/aktuelles/charite-serie
- Kritik der ZEIT: Die Fortsetzung der ARD-Serie „Charité“ inszeniert die Klinik als Hort des Widerstands gegen Hitler