Dschungelcamp 2. Tag – Wir waren Gott

Langsam kocht es in den Seelen der Camper. Das Dschungelcamp entwickelt sich folgerichtig zu einem Psychocamp. Es braucht nicht viel psychologisches Wissen um zu erkennen, dass insbesondere unsere Mitbürger in der Schowbranche in der Regel „einen an der Waffel haben“, wie der Volksmund sagt. Und gerade das Fernsehen scheint nur dafür zu existieren, ihnen eine Bühne, eine Therapiebühne zu sein. Ich bin ein Star – holt mich hier raus! scheint demnach eine gerade therapeutische Einrichtung. Aber eine die Spaß macht.

Die Amazonen Indira („Ich habe auch meine finanziellen Probleme!“) und Sarah auf Schatzsuche. Erstmal sehen sie scheiße aus mit ihren Kopftüchern und der Schmiere in der Fresse. Und dann die ganze Zeit dies – nicht zum Aushalten:
„Sarah, beruhigt Dich. Du machst Fehler, ich mach Fehler, aber zick nicht rum, wenn ich …“
„Das ist ne Prüfung wo wir einfach nur kucken sollen und einfach nicht sprechen sollen.“

„Deep from the dickdarm!“, meint Sarah, „Scheiß egal!“ Also Dame ist sie nicht, Model auch nicht, Jugendliche auch nicht und toll erst recht nicht. Aber was sie sie dann? Einfach nur panne? Wahrscheinlich.

Aber es geht noch weiter mit Sarahs Neurosen, die des nachts offenbar vollend erblühen. Ihre Lebensweisheiten, die sie Mathieu auftischt bringen sie zur nächsten Dschungelprüfung, weil wir Zuschauer so einen Dünnpfiff nicht ungestraft lassen können. Sie hätte so ein krasses Leben, da könne sie ein Buch drüber schreiben, da könne kein Film mithalten. Und hier die pseudoreligiösen 10 Dschungelweisheiten der blonden Sarah:

  1. Wichtig ist, dass man vom Herzen her glücklich ist. Dass man sich findet und weiß, ich bin so und so und so. Und der Rest ist auch Scheiß egal
  2. Nicht jeder wurde als Arschlochkind geboren. Es ist einfach so. Der eine ist nur verloren gegangen, der andere ist gewachsen.
  3. Die Leute sagen, ja, hm, Wetter ist halt scheiße, kann ich nichts dran ändern. Jeder einzelne kann was verändern in der Welt.
  4. Nur wer gelitten hat, der kann erstmal das Schöne genießen.
  5. Kuck mal, 50% der Menschen lieben Dich immer, egal was du tust, egal wer du bist, egal was du machst.
  6. Wenn du ein hübscher Mensch bist, biste abgestempelt, haste halt kein Charakter, biste dumm.
  7. Die sehen dich alle sexuell. Die sehen gar nicht den Menschen und das ist halt die Strafe mit der ich leben muss irgendwie.
  8. Ich bin nicht operiert, ich bin natürlich. Und, gut, an meinem Körper ist 100% alles umsonst.
  9. Ich bin der Meinung, wenn du mit vielen Menschen schläfst oder so, lässt du jedes Mal so ein Stück deiner Seele bei der Person.
  10. Oah, ich hab so Angst das zu sagen. Kuck mal, ich bin immer der Meinung so, dass ist jetzt so, das ist in mir so hochgekommen so … Geld ist nicht alles!

Das schlimm. Sarah kann einem Leid tun. Sie war wahrscheinlich schon vorher neurotisch und nicht erst durch die Psychomühle, die dir den Rest gibt Germany Next Top Model. Mir ist schon vorher aufgefallen, dass junge Erwachsene Mitte 20 meinen, sie hätten den Durchblick. Sarah ist 24 und offenbar in einem Alter, das einem vorgaukelt, viel erfahren zu haben, viel Wissen zu besitzen und echte Lebensweisheiten und Erkenntnisse teilen zu müssen. Aber wo lernt man eigentlich reflektieren? Im Fernsehen?

Indira – wie auf „Kachelmanns Loveboat“ – ist auch nicht viel klüger als Sarah und außerdem operiert. So sieht es jedenfalls aus. Sie hat sich jedoch nach der ekligen Dschungelprüfung von gestern auf Nachfrage und nach eigenen Angaben „wieder gut rehabilitiert.“ Was sie vorher verbrochen hatte, war uns von vorn herein klar.

So stapfte denn Reiner zu seiner ersten Dschungelprüfung. Auf dem Weg durch den Dschungel versicherte er uns in die Kamera, dass er nix tue „wegen einer Belohnung, sondern weil es gut ist“. Was daran gut sein soll 14 Tage vor laufender Kamera im Dschungelcamp zu verbringen, bleibt zunächst schleierhaft.

Reiner bockte vor der Dschungelprüfung etwas und musste vom Team und Dr. Bob erst nachhaltig überzeugt werden, dass „keine Schabe zu Schaden kommt“. Dirk Bach, der sich der Fantasie hingab, wie Reiner auf einem fliegenden Teppich Yoga machend den Abhang hinunter gleitet, versicherte dem Verganer, dass es sich hier um „zumutbaren Tierschutz“ handele und der australische Tierschutz sein Ok gegeben hätte.

Dann begab sich Reiner zusammen mit 30.000 Kakerlaken in der Sarg. Wie „ein sehr, sehr altes Schneewittchen“ würde er aussehen, fand Dirk. Und als sich die Aussenhülle des Sarges über dem Dschungelsee absprengte, meinte Dirk, dass „der letzte Kommunist in einem Glassarg“ Lenin gewesen sei. Er schafft 11 Minuten und damit 11 Essen für seine Kommune.

Er musste noch im Tümpel baden, um sich die restlichen Kakerlaken vom Greisenleib zu waschen und stand dann da, wie Gott ihn schuf. Seine Unterhose allerdings war das nackte Grausen. Dirk Bach fand ihn jedoch zurecht „fantastisch – der Mann ist 70!“

Und als Oberkommunarde plauderte Reiner Langhans aus dem Nähkästchen. Er berichtet am feuchten Lagerfeuer von der berühmten Kommune 1, ihre Haltungen, Drogenexperimente und Sex. Man wollte das genauer wissen und Reiner gab bereitwillig und offenherzig Auskunft.

Im ersten Jahr war die Kommune „naturstoned“ von ihrem eigenen gesellschaftlichen Experiment, das sie mit eben dieser Kommune 1 starteten. Als die Wirkung dieser Euphorie nach ungefähr einem Jahr nachließ, setzte man Drogen ein, um den Bewusstseinszustand der ersten Zeit wiederherzustellen. Und Sex-Experimente wurden aus gleichem Grunde eingesetzt.

Reiner beschreibt jedenfalls einen wichtigen Aspekt im Leben und insbesondere zum Thema Drogensucht (auch Alkoholismus gehört dazu) und Suchtentwicklung. Ob das jemand im Camp verstanden hat?

Wir leben in einer Gesellschaft, in der jeder andauerndes Glück fordert, Erfüllung in allen Lebensbereichen, in Job und Karriere, in Beziehung und Partnerschaft, mit Kind und Familie, in Urlaub und Freizeit. Allein aus diesem Grund, sitzen diese Menschen dort unten im Dschungelcamp fest und erzählen sich Geschichten.

Etwa, das Indiras Hauptberuf gewesen sei, jemanden zu stärken. Schwer verständlich, wo sie doch zuvor die leicht tüddelige Oma Eva, die einen Fehler macht und ihr ein paar Palmwedel wegnahm, nach Strich und Faden abgekanzelt hatte. Indira zeigt damit wenig Toleranz, keinen Respekt vor dem Alter und überhaupt keine Empathie oder Menschenkenntnis.

Ganz im Gegensatz zu Katy. Die das Gefühl hätte, dass der Jay super unglücklich ist. Keine Kunst für so einen muskelbepackten Schönling, der vermutlich tägliche Bewunderung und parfumiertes Puder gewohnt ist.

Wie sie jetzt aber darauf kommen, dass sie unbedingt Teamgeist entwickeln sollen, bleibt ihr Geheimnis. Steht sicher nichts im Vertrag mit RTL davon. Und es ist ja auch nicht nötig. Es ist ja kein Fussballspiel. Sondern eine Fernsehshow mit Nervenseilbahn!

Ist nun die Wirklichkeit wirklich wirklich? Ist die Wirklichkeit, die ich auf einem LSD-Trip erlebe die wirklich Wirklichkeit oder ist die rote Ampel, nach der ich einen Menschen totfahre, wirklicher? Gibt es eine Steigerung von wirklich? Nicht wirklich. Wenn ich von einem Schmetterling träume, wer sagt mir, dass ich ich bin und nicht der Schmetterling, der träumt ein Mensch zu sein, der von einem Schmetterling träumt?